Erdwärme – die unbekannte Energie unter unseren Füßen
Nutzung der Erdwärme – von den Römern bis heute
von Dr. Jörg Baumgärtner, vormals Socomine S. A., Soultz-sous-Forêts, Elsaß (1994)
Das Quietschen der primitiven Holzwinden übertönt sogar das Zischen des Dampfes in der Ferne. Penetranter Schwefelgeruch hängt in der Luft. Von den Gesichtern der beiden Männer am Bohrer strömt Schweiß. Keuchend versuchen sie, den schweren Bohrer mit Hilfe einer Holzspindel zu drehen.
Wir schreiben etwa das Jahr 1850 in Italien in der Toskana. Mit für unsere Zeit primitivsten Mitteln wird hier nach Erdwärme in Form von Heißwasser und Dampf gebohrt. Über der Bohrstelle ist ein ca. zehn bis zwölf Meter hoher Holzturm errichtet worden. Der Bohrstrang wird von zwei Männern per Hand gedreht und dabei mühsam in den Boden getrieben. Zwei weitere Männer bedienen die Seilwinde, an der der Bohrer hängt. Mit dieser sehr einfachen Technik werden Bohrtiefen von etwa 20 m erreicht. Hier in der Toskana hat vor wenigen Jahren die erste industrielle Nutzung der im Boden der Toskana reichlich vorhandenen Erdwärme begonnen. Aber das ist weit vorweg gegriffen. Angefangen hat alles viel, viel eher.
Die Toskana, an der Westseite Italiens, liegt in einer Region, in der die Erdkruste durch die Kollision zweier riesiger Erdkrustenplatten, der Eurasischen und der Afrikanischen Kontinentalplatte, zertrümmert ist. Heißes, flüssiges Gestein dringt in den Bruchzonen bis zur Oberfläche vor. Die Aufheizung des Untergrundes erfasst auch die grundwasserführenden Schichten, "Lagonen" (natürliche Heißwasserquellen) und "Soffionen" (natürliche Heißdampfauslässe, Geysire) entstehen. Bereits ca. 600 Jahre vor Christi Geburt nutzten die Künstler der Etrusker die sich an den Heißwasserquellen bildenden Borsäureablagerung zur Herstellung der herrlichen Emailleverzierungen ihrer Vasen. Die hoch entwickelte römische Bade- und Wohnkultur führte dann ein halbes Jahrtausend später zur ersten energetischen Nutzung der Erdwärme. In der Toskana und an vielen anderen Orten ihres Reiches beheizten die Römer ihre Bäder und Wohnungen mit dem Wasser warmer Quellen (übrigens auch im Bereich des heutigen Deutschlands, am Niederrhein). Der Nachwelt erhalten blieb von dieser Hochkultur allerdings nur sehr wenig. Die Naturereignisse aus damaliger Sicht und die römischen Thermen in der Toskana sind uns durch die "Peutingersche Tafel", einer Art römischer Landkarte aus dem 3. Jahrhundert nach Christus überliefert. Die Beschreibungen auf dieser Tafel sind allerdings so detailliert, dass sich auch noch heute bekannte Thermen eindeutig erkennen lassen. Mit dem Niedergang und der Aufspaltung des Römischen Reiches erlosch auch rasch die aufwendige Bade- und Wohnkultur.
Erst im frühen Mittelalter gewinnen die Erdwärmevorkommen und die mit ihnen verbundenen Erscheinungen wieder an wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung, und wieder beginnt die Entwicklung in der Toskana. Aus den "Lagonen" und "Soffionen" werden Schwefel, Vitriol und Alaun gewonnen. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Vorkommen wurde so groß, dass es zwischen den toskanischen Republiken immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen um den Besitz dieser Vorkommen kam. Von dem Beginn einer industriellen Nutzung der Naturschätze kann allerdings erst gesprochen werden, als die seit 1702 als "Hornberger Seditivsalz" in der Medizin bekannt gewordene Borsäure von Franz Hubert Hoefer, dem Direktor der Apotheken des Großherzogtums Toskana, in den "Lagonen" entdeckt wird. Es dauerte dann allerdings noch bis 1812, bis eine "industrielle" Methode zur Gewinnung der Borsäure entwickelt wurde. In einem umständlichen Prozess wurden die Borlösungen aus den "Lagonen" in mit Holz beheizten Eisenbehältern verdampft und dann in Holzfässern kristallisiert. Die entscheidende Idee zur Beschleunigung dieses Verfahrens hatte 1827 der aus Frankreich stammende Ingenieur Francois Larderel. Er ersetzte das Holz beim Verdampfen der Borlösungen durch den aus den "Soffionen" und später aus den Bohrungen austretenden Heißdampf. Dies war die Geburtsstunde einer chemischen Industrie, die unter konsequenter Ausnutzung der von der Natur geschenkten Heißdämpfe bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges florierte.
Die leichte Verfügbarkeit der natürlichen Heißdämpfe und die am Ende des 19. Jahrhunderts rasante Industrialisierung führten konsequenterweise in Italien bereits sehr früh zu einer weiteren Nutzung der Erdwärme: der Gewinnung elektrischer Energie. Bereits 1904 brachte Graf Piero Genori Conti fünf Glühbirnen mit Hilfe eines heißdampfbetriebenen Dynamos zum Leuchten. 1913 installierte Conti, der seit 1904 auch Generaldirektor der Fabriken für Borsäuregewinnung war, für diese Fabriken das erste mit geothermischer Energie betriebene Kraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 250 Kilowatt. Trotz des viel versprechenden Anfangs blieb die Stromerzeugung aus Erdwärme in der Toskana während der nächsten Jahre noch sehr bescheiden. Erst Mitte der 30er Jahre setzte eine rasante Zunahme der Stromerzeugung ein, die bis heute anhält. Heute verfügt die "Direzione Attivita Geotermiche" der ENEL, der nationalen italienischen Elektrizitätsversorgungsgesellschaft, über eine installierte Kraftwerkskapazität von mehr als 630 MW (elektrisch), die allein mit Erdwärme (Heißdampf & Heißwasser) gespeist wird. Die modernen italienischen Erdwärmekraftwerke basieren auf genormten, besonders umweltfreundlichen 20 MW(e) und 60 MW(e) Modulen mit jeweils mehreren Versorgungs- und Reinjektionsbohrungen. Die genormten Kraftwerksblöcke können je nach Bedarf auch miteinander kombiniert werden. Diese Kraftwerksmodule und die sie versorgenden Bohrungen arbeiten ohne ständiges Personal. Mehrere Blöcke an verschiedenen Lokationen werden von einer Zentrale aus ferngesteuert. Die Stromerzeugungskosten für diese Anlagen liegen je nach der Tiefe der Lagerstätte, der Anzahl der Versorgungsbohrungen und dem Alter der Anlage in einer Größenordnung von 2,5 bis 7 Pfennig je kWh (21 bis 56 Lira, Grundlastkraftwerke, Summe Fixkosten und variable Kosten, Basis 1992). Derzeit läuft ein großes Investitionsprogramm, bei dem sowohl neue Kraftwerke für in größere Tiefe (3.000 bis 5.000 m) gefundene Dampfvorkommen installiert werden, als auch ältere Kraftwerke aus den 50er und 60er Jahren durch moderne Anlagen ersetzt werden (Anmerkung: Italien hat durch Parlamentsbeschluss völlig auf die Nutzung von Atomenergie verzichtet).
Und außerhalb Italiens in Europa?
Erdwärme wird heute an vielen Orten Europas genutzt, wobei immer Wasser als Trägermedium im Untergrund vorhanden sein muss. Solche wasserführenden Gesteinsformationen werden auch Aquifere genannt. Generell unterscheidet man zwischen Niedrigtemperaturwasser- (25 bis 40°C), Warmwasser- (40 bis 100°C), Heißwasser- und Dampfvorkommen (über 100°C). Bei den zuvor beschriebenen Vorkommen in Italien hat man es durchweg mit Dampf- und Heißwasserlagerstätten zu tun, mit Temperaturen bis über 300°C aus 3.000 bis 4.000 m Tiefe. Aber auch Niedrig- und Warmwasservorkommen können sinnvoll genutzt werden für Raumheizung, Prozesswärme (Trocknungsanlagen), in Thermalbädern, in Gewächshäusern und als Brauchwasser. In Island z. B. wird Thermalwasser zur Beheizung von Gewächshäusern bereits- seit 1888 genutzt, und seit 1928 versorgt ein geothermisches Fernwärmenetz große Teile der Hauptstadt Reykjavik. Das herausragende Beispiel der Nutzung der Erdwärme für Heizzwecke in Europa sind derzeit die französischen Anlagen. Insgesamt wurden 66 Anlagen installiert, davon 54 im Pariser Becken. Das Gesamtinvestitionsvolumen betrug etwa 1 Milliarde DM. Diese 66 Anlagen versorgen derzeit ca. 200.000 Wohnungseinheiten mit Wärme. Aus Umweltschutzgründen arbeiten alle diese Anlagen mit einem geschlossenen Kreislauf im Dublettenbetrieb, d. h., das geförderte Thermalwasser wird in einiger Entfernung von der Produktionsbohrung über eine zweite Bohrung wieder vollständig in die Gesteinsformation zurückgeleitet, aus der es stammt.
Ein weiteres interessantes Beispiel für eine sinnvolle Nutzung der Erdwärme in Europa bietet die Schweiz. Sie ist vor allem auch ein Beispiel dafür, wie die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen einen Markt positiv beeinflussen können. Obwohl die Schweiz auf den ersten Blick über keine besonders günstigen Bedingungen zur Nutzung der Erdwärme verfügt (keine Vulkane, keine Erdwärmeanomalien), führten die Einführung immer strengerer Umweltbestimmungen und - einzigartig in Europa - die Übernahme einer Risikogarantie des Staates für Geothermiebohrungen zur Entwicklung einer kleinen, aber sehr regen Hochtechnologieindustrie zur Nutzung von Niedrig- und Warmwasservorkommen. Abgesichert werden das technische und das geologische Bohrrisiko (wird das Wasservorkommen gefunden oder nicht), wobei die Versicherung in der Regel 50 Prozent im Ausnahmefall bis 80 Prozent der Bohrkosten übernehmen kann. In der Schweiz kommen im Wesentlichen zwei Nutzungstechniken in Betracht: Die Erschließung wasserführender Schichten in ca. 3.000 m Tiefe mit ca. 100°C heißem Warmwasser für Heizgroßprojekte und die Nutzung von Flachbohrungen (auch Erdwärmesonden genannt, Tiefe bis 150 m), in die ein einfacher (Schlauch-) Wärmetauscher eingebracht wird. Durchgepumptes, kaltes Wasser erwärmt sich in der Erdwärmesonde während der Heizperiode auf ca. 10 bis 12°C und eine Wärmepumpe hebt diese Temperatur auf ca. 50°C, ausreichend für eine Niedrigtemperaturheizung. 1988 waren immerhin bereits 1.500 dieser Anlagen installiert. Basierend auf den Energiepreisen von 1988 machte sich eine solche Heizanlage im Vergleich zu einer Ölheizung für den Hausbesitzer nach 15 Jahren bezahlt (hierbei liegt ein Preis von 100 Schweizer Franken pro Bohrmeter zugrunde), wobei der Vorteil dieser Heizmethode bei der Umweltverträglichkeit noch unberücksichtigt bleibt.
Und Deutschland?
Bisher mäßig aktiv. Deutschland verfügt über keine wirklich herausragenden geothermischen Lagerstätten. Erhöhte Temperaturen im Untergrund werden jedoch regional im Oberrheingraben, im Bereich der Schwäbischen Alb, im süddeutschen Molassebecken und in den Sedimentformationen Norddeutschlands beobachtet. Die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen führten in Deutschland dazu, dass Erdwärme in Form von Niedrig- und Warmwasservorkommen hauptsächlich für balneologische Zwecke genutzt wird, wie z. B. im niederbayrischen Bäderdreieck Füssing/Birnbach/Griesbach oder im Rheingraben in Baden-Baden. Nur in der ehemaligen DDR wurde aus energiepolitischen Zwängen heraus ein ernsthafter Anlauf unternommen, Erdwärme für größere Heizanlagen zu nutzen. In Neubrandenburg, Waren und Prenzlau entstanden drei geothermische Heizzentralen mit einer Leistung von ca. 22 Megawatt (thermisch), die wie die französischen Anlagen mit einem geschlossenen Kreislauf arbeiten (Dublettenbetrieb). Nach der Vereinigung erwiesen sich diese ostdeutschen Anlagen, vor allem auch mit Unterstützung der Medien, als der Motor der deutschen Forschungsaktivitäten im Bereich der Niedrigenthalpie- und Warmwasservorkommen. Im September letzten Jahres fiel der Startschuss für die Errichtung einer modernen Kombi-Heizzentrale (geothermische Heizzentrale mit einem Blockheizkraftwerk) in Neustadt-Glewe, ca. 25 km südlich von Schwerin. Geplant ist die Versorgung eines Wohn- und Gewerbegebietes mit Raumheizung und Warmwasser sowie eines Industriegebietes mit Prozesswärme. Von der geplanten Leistung von 12 Megawatt (thermisch) sollen bis zu 6,5 Megawatt aus der Erdwärme stammen. Dieses Projekt mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 18 Millionen DM wird vom Bundesminister für Forschung und Technologie und dem Land Mecklenburg-Vorpommern mit zusammen ca. 50 Prozent gefördert. Für den Betrieb wird ein Fernwärmepreis von 85 DM/MWh angestrebt.
Und außerhalb Europas?
Natürlich gibt es Regionen an den tektonischen Nahtstellen unseres Globusses, die ähnliche oder noch günstigere Bedingungen für die Nutzung geothermischer Energie aufweisen, als z. B. Italien. Hierbei sind insbesondere die USA, die Philippinen, Mexiko, Japan und Neuseeland zu erwähnen. In all diesen Ländern existieren natürliche Heißdampfvorkommen, die direkt zur Stromerzeugung genutzt werden. Die Länder sind hier aufgelistet nach der Größe der installierten elektrischen Leistung (Stand 1990). Im Westen der USA, ca. 120 km nordwestlich von San Francisco, im Dampffeld "The Geysers", waren 1992 immerhin 2.979 Megawatt (elektrisch) installiert. Diese Anlagen werden von mehreren Unternehmen auf rein privatwirtschaftlicher Basis betrieben und versorgen die ganze hoch industrialisierte Region um San Francisco mit Strom. Der harte Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Betreibern führte allerdings auch dazu, dass das Dampffeld lange Zeit ohne erhaltende Maßnahmen (Reinjektion der produzierten Wässer, wandernder Wärmeabbau) ausgebeutet wurde. Erst in den letzten Jahren kam es auf Druck der Regierung zu einer Kooperation der Betreiber. In Japan, das selbst über keinerlei andere eigene Energieressourcen verfügt, ist ein rasanter Ausbau der Energieproduktion aus Erdwärme geplant (270 Megawatt (elektrisch) in 1992 installiert, 456 MW(e) geplant für 1995). Ein Hindernis bei dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass die riesigen japanischen Erdwärmevorkommen zum großen Teil innerhalb von Nationalparks liegen. Nach japanischem Recht darf dort in der Regel nicht gebohrt und gebaut werden. Deshalb mussten teilweise aufwendige und teure Richtbohrungen abgeteuft werden, um von einer Lokation außerhalb des Parks über Entfernungen von bis zu mehreren Kilometern wenigstens an den Rand der Lagerstätte heranzukommen. Weltweit sind derzeit mehr als 200 Erdwärmekraftwerke mit zusammen mehr als 6.200 MW elektrischer Leistung installiert - und die jährliche Steigerungsrate liegt bei fast 10 Prozent.
War das schon alles?
Als Geowissenschaftler muss ich diese Frage mit einem klaren "nein" beantworten. Die oben beschriebenen Entwicklungsstadien der Erdwärmenutzung in den verschiedenen Ländern zeigen im wesentlichen alle Aspekte und Probleme der heutigen Nutzung dieser Lagerstätten. Im Gegensatz zur Situation vieler anderer Bodenschätze sind jedoch die weltweiten Vorkommen an Erdwärme bisher nur zu einem winzigen Bruchteil erschlossen.
Hierfür gibt es mehrere Ursachen. Die Entwicklung in den einzelnen Ländern wird (beinahe noch mehr als von den geologischen Gegebenheiten) von den jeweiligen volkswirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen und den lokalen Kostenstrukturen gesteuert. Schon das Wort Lagerstätte deutet auf eine generelle Problematik hin. Lagerstätten müssen gefunden werden und ihre Erschließung beinhaltet vor allem in der Anfangsphase der Untergrunderkundung in einer Region immer ein Explorationsrisiko. Bei Bohrkosten, die im Einzelfall je nach Tiefe mehrere Millionen DM betragen können, ist dies in Verbindung mit einer begrenzten Gewinnspanne ein nicht vernachlässigbarer Faktor. Nationale Versicherungsprogramme nach Schweizer Muster können hier sicherlich zu einer starken Entlastung führen. Für Erdwärmeprojekte gilt jedoch generell, dass aufgrund des hohen Kapitaleinsatzes zu Beginn des Projektes (für die Bohrungen und das Kraftwerk) im wesentlichen zwei Faktoren Kosten bestimmend sind - und dies fast unabhängig von den Bedingungen im Untergrund:
- die Zinssätze, zu denen dieses Kapital beschafft wurde, und
- der Zeitraum von dem Beginn der Bohrung bis zur ersten Energie-Produktion, d. h. der Zeitraum, in dem das beschaffte Kapital unproduktiv ist.
Man muss in diesem Zusammenhang allerdings auch feststellen, dass die Erdwärmenutzung bei den Bohroperationen mit den Kostenstrukturen eines Marktes kämpfen muss, der von der Erdöl- und Erdgasindustrie dominiert wird, die in der Regel mit wesentlich größeren Gewinnspannen kalkulieren kann als ein (alternativer) Energieerzeuger. Erst das Überangebot an Rohöl auf dem Weltmarkt führte hier in den letzten Jahren zu einer Kosteneindämmung bzw. sogar zu rückläufigen Kosten. Das Überangebot an Rohöl hat jedoch auch zu extrem niedrigen Ölpreisen geführt. Die Verbrennung von Öl zur Energieerzeugung ist daher derzeit in unseren Breiten auf den ersten Blick eindeutig wirtschaftlicher als jegliche Nutzung von Erdwärme. Allerdings hat diese Betrachtung mehrere Haken. Zunächst ist der Rohölpreis auch ein politischer Preis, der rasch starken Schwankungen unterworfen sein kann. Die politisch problematische Lage in Nordafrika und im Mittleren Osten macht eine Langzeitvorhersage über eine Preisentwicklung auch für Experten sehr schwierig. Investitionen in Kraftwerke und Heizzentralen sind jedoch immer Langzeitinvestitionen, die einer vorausschauenden Planung bedürfen. Hinzu kommen die legitimen Interessen eines jeden Staates an einer gesicherten Energieversorgung. Starke Preisschwankungen auf dem Rohölweltmarkt können volkswirtschaftlich verheerende Auswirkungen haben, wie wir es alle 1973 während der Ölkrise erlebt haben. Erdwärme hingegen ist jedoch immer eine heimische Energiequelle, die im Gegensatz zu anderen alternativen Energiequellen unabhängig von der Witterung und der Tageszeit immer zur Verfügung steht. Erdwärme, richtig genutzt, ist auch eine sehr umweltfreundliche Energiequelle. Ein geothermisches Heiz- oder Stromkraftwerk im geschlossenen Kreislauf betrieben, hat z. B. keine Schadstoff-Emissionen in die Atmosphäre (Stichworte: Ozonloch und Waldsterben).
Sinnvolle, gezielte Investitionen in die Entwicklung geothermischer Energie sind daher auch Investitionen in unsere Zukunft und die unserer Kinder. Aber wie die Entwicklung der Nutzung der Erdwärme vorantreiben? Ähnlich wie bei anderen Bergbautechnologien konzentrierte sich der Abbau der Erdwärme zunächst auf die offensichtlichen, leicht erreichbaren Vorkommen. Mit zunehmendem Kenntnisstand und mit fortentwickelten Technologien wurden als nächstes vor allem tieferliegende und heißere, d. h. energetisch günstigere Vorkommen erschlossen. Gehemmt wurde die Entwicklung dadurch, dass die Industrie bei der Nutzung der Erdwärme immer auf das Vorhandensein von ausreichenden Mengen Wassers im Untergrund als Trägermedium für die Wärme angewiesen war. Damit war jedoch von vornherein die Nutzung der Erdwärme auf wenige Regionen mit entsprechend günstigen Voraussetzungen beschränkt. Der bei weitem größte Teil der im Untergrund vorhandenen Wärmeenergie in heißen aber "trockenen" Gesteinsformationen blieb bisher unberührt. Ironischerweise waren es Physiker des amerikanischen Atomforschungszentrums "Los Alamos Scientific Laboratory", die Anfang der 70er Jahre als erste ein Konzept zur Nutzung dieser im heißen, trockenen Gestein (englisch: "Hot Dry Rock") gespeicherten Energie vorschlugen. Die Entwicklung dieser Technologie, ihre Rückschläge aber auch ihre Erfolge und ihre Zukunftschancen sind Gegenstand des letzten Artikels dieser kleinen Reihe.
Literatur
Rummel, F. & Kappelmeyer, O. (1993): "Erdwärme, Energieträger der Zukunft? Fakten, Forschung, Zukunft", Verlag C. F. Müller, Karlsruhe
Weber, R. (1990): "Heizwärme aus der Tiefe", Olynthus Verlag, Oberbözberg, Schweiz
Allegrini, G. & Capetti, G. (1990): "Economic Analysis of Geothermal Projects", G.R.C. Transactions, vol. 14, part I